RAWS 2.0 - Recipient adress windows
2022/24
Dieses Projekt wurde basierend auf RAWS 1.0 im Rahmen der Ausstellung im Schlössli Biberist Herbst 23 entwickelt und ist als Fragment an der Artyshow 2024 in Neuchâtel zu sehen.
Repräsentativ für die Existenz einer physischen Adresse steht das Couvertfenster, oder wie es in Englisch genauer bezeichnet wird: recipient adress window (kurz RAW).
Die Heimadresse wiederum ordnet dem gesellschaftlichen Individuum einen eindeutigen Lebensort und somit einen konkreten Platz in der Gesellschaft zu. Wer seinen Namen in einem RAW wiederfindet, existiert.
Die Metapher der «guten Adresse», steht mit dem gesellschaftlich-sozialen Status in direktem Zusammenhang.
Keine Postadresse zu haben und damit den eigenen Namen selten oder gar nie in einem RAW wiederzufinden, indiziert in gleichem Masse die gesellschaftliche Position und soziale Zuordnung innerhalb oder präziser, ausserhalb unseres Systems. Dass von diesem «Fehlen eines RAW-Inhalts» weltweit viele Millionen Menschen, und in der reichen Schweiz mehrere zehntausend Personen betroffen sind, bildet die Grundlage dieses Projekts.
Denn allen widrigen Umständen und Behauptungen zum Trotz, organisieren sich auch namen-, adress- insbesondere aber papierlose Menschen so gut es geht in unserem bürgerlich geprägten Lebensraum. Sie kreieren eigene Organisationsmuster und suchen individuelle Lebensformen innerhalb des Systems, in welchem sie nicht offiziell existent sind oder sein dürfen.
Auf meiner Suche nach «wertlos Gewordenem» treffe ich auf das RAW, isoliere es und versuche, es in den erwähnten soziologischen Kontext zu transferieren.
Trotz einer ISO-Standardisierung begegnen mir dabei viele verschiedene Fenstertypen, die sich auch im Farbton des Papiers und des Hintergrundpaterns in subtilen Nuancen unterscheiden.
Ich schneide die RAWS mit einer Schablone zu «Fenstern mit Rahmen» und verklebe sie über die Diagonalen zu Bändern. Diese können in variablen Längen produziert werden und bilden damit ein neues Grundelement für grosse Oberflächen.
Die reflektierende Plastikfolie verschafft den Objekten einen aussergewöhnlichen und organisch wirkenden Glanz. Es entsteht beinahe eine Art Haut. Mit diesen grossflächigen Häuten wird es möglich, Rauminstallation zu installieren, welche die beschriebenen RAW- Thematik ästhetisch sichtbar machen.