About 400 2014/15
«About 400» findet Juni/Juli 2015 in meinem Atelier in Barcelona seinen Anfang. Als Grundlage dieser Graphitstift-Zeichnung dient ein Bild des italienischen Medienfotografen Massimo Sestini www.massimosestini.it . Diese Luftaufnahme aus vermutlich etwa 70m Höhe, wurde in die World Press Photo 2015 aufgenommen und zeigt einen mit Menschen heillos überfüllten Kahn. Das Mittelmeer-Flüchtlingsdrama mit all seinen weitreichenden, desaströsen humanitären Folgen wurde erstmals zum medialen Hotspot und unsere kollektive Mitverantwortung dafür offensichtlich.
Das «über-der-Realität-schweben» dieser Darstellung zwang mich, meine Fassungslosigkeit auf einer metaphorischen Ebene sichtbar zu machen.
Sestinis Aufnahme begegne ich erstmals auf einem fotokopierten Faltblatt an einer öffentlichen ökumenischen Gedenkfeier. Die Schwarzweisskopie bildet das Titelbild eines zu einem Büchlein gefalteten A4-Blattes mit Gebeten und Liedtexten. Um das Bild möglichst gross darzustellen, hatte der Verfasser des Flyers die Aufnahme hochkant genommen, so dass das Boot «nach oben» fährt und nicht wie bei der Originalaufnahme von rechts nach links. Es mag mit meiner (situativ stimulierten) katholischen Erziehung zusammenhängen, dass ich beim ersten Hinsehen das Boot nicht als solches erkenne, sondern es mit einem Kathedralenfenster, einem Madonnenschrein oder gar einer Grabplatte assoziiere. Erst der zweite Blick eröffnet mir einer Vielzahl (ca. 400) eingepferchter Menschen.
Ich belasse das Bild vorerst hochformatig und trenne als nächstes die beiden Hauptkomponenten, Hülle (Meer) und Inhalt (Mensch).
Die monochrome Fotokopie bestimmt auch das Malmedium. Grafit verdeutlicht intensiv die Dichte und Intensität der abgebildeten Menschen im Kontrastbereich von Schwarz und Weiss. Die kinetische Energie der «verheissungsvollen» Überquerung stelle ich in einer Mischung aus Gold und chinesischer Tusche dar – für mich beides Symbole der Ewigkeit.
Es entsteht ein Vakuum, wie durch ein «Geschoss» verursacht.
Diese Arbeit wurde bis anhin nicht öffentlich gezeigt.
